Gesunde erwachsene Frauen haben sowohl absolut als auch relativ betrachtet weniger Muskelmasse und weniger Muskelkraft als Männer. Was bei Frauen noch hinzu kommt sind die Wechseljahre. Ab diesem Zeitpunkt nimmt bei Frauen sowohl die Muskelmasse als auch Muskelkraft schneller ab als bei Männern. Doch woran liegt das?
In diesem Artikel erfährst du, welchen Zusammenhang Östrogen und Muskelaufbau haben, wie sich das weibliche Hormon auf die Muskelkraft auswirkt und was ein Östrogenmangel in den Wechseljahren bewirkt.
Östrogen und Muskelaufbau – wie wirkt das Hormon der Frau auf die Muskulatur?
Wie ist die Muskulatur aufgebaut?
Die Muskulatur wird unterschieden zwischen der
- glatten Muskulatur (Darm, Blase, Magen, Blutgefäße),
- der Muskulatur des Herzens und
- der Skelettmuskulatur.
Der Muskel selbst
- wird von Sehnen am Knochen gehalten und
- besteht aus Muskelbündeln.
Diese Muskelbündel enthalten Muskelfasern, die wiederum aus Myofibrillen bestehen. Die Elemente dieser Myofibrillen heißen
- Aktin und
- Myosin
- und sind für die Kontraktion der Muskulatur verantwortlich (1,2).
Der Unterschied zwischen Muskelkraft und Muskelmasse
Bevor wir näher auf die Muskelkraft eingehen, müssen wir zwei Sachen unterscheiden:
- Muskelkraft ist die Kraft, die deine Muskeln pro Kontraktion aufbringen können. Diese trainierst du mit Maximalkrafttraining. Ziel deines Trainings soll es sein, die Kraft pro Muskelkontraktion zu stärken.
- Muskeldicke ist der Querschnitt deiner Muskulatur, also die Masse deiner Muskeln. Die Muskeldicke trainierst du mit Hypertrophietraining. In diesem Training ist es das Ziel, das Muskelwachstum anzuregen und Muskelmasse aufzubauen. Es handelt sich also um das klassische „Pumper-Training“.
Eine Kombination aus Maximalkrafttraining und Hypertrophietraining sollten im Übrigen in deinem Trainingsplan stehen, um Muskeln und Kraft aufzubauen.
Die Hormone des Muskelaufbaus
Testosteron, das bekannte Hormon der Männer, hilft dir beim Muskelaufbau. Doch als Frau ist dein Testosteron-Spiegel um einiges niedriger als der der Männer. Neben Testosteron hilft dir aber auch Östrogen beim Muskelwachstum.
Meist wird Östrogen allerdings vom Gegenspieler Progesteron beeinflusst. Deshalb ist es schwierig die Wirkung von Östrogen auf die Muskulatur zu erforschen. Die Wissenschaft führt ihre Studien entweder mit Nagetieren mit Östrogenmangel oder mit menopausalen Frauen durch, denen Östrogen verabreicht wurde (9).
Aber daraus können wir dennoch so einiges ableiten.
Östrogen und Muskelkontraktion – wie wirkt das Hormon auf die Muskelkraft?
Bei einer Muskelkontraktion bindet sich die Myofibrille Myosin mit seinem Kopf an Aktin. Durch diese Verbindung wird die Kontraktion der Muskulatur ausgelöst.
Östrogen verstärkt die Muskelkontraktion und erhöht die Muskelkraft.
Östrogen verstärkt die Bindung von Myosin an Aktin. Dies führt dazu, dass der Muskel stärker kontrahiert und somit mehr Kraft erzeugen kann (3).
Primär ist Östrogen (Östradiol E2) allerdings für eine stärkere Kontraktion des Gebärmuttermuskels zuständig. Es wirkt aber dennoch im restlichen Gewebe des Körpers. Zwar in verminderter Form, aber es wirkt.
Östrogen verstärkt die Muskelkraft,
- indem es die Qualität der Skelettmuskulatur verbessert und
- die Krafterzeugung bei der Muskelkontraktion erhöht (3).
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Östrogen und Muskelkontraktion – Wie wirkt Östrogen auf oxidativen Stress?
Myosin, und somit die Muskelkontraktion, ist anfällig für oxidativen Stress. Oxidativer Stress entsteht bei der Zellatmung in den Mitochondrien. Im Beitrag Östrogen und Fettstoffwechsel habe ich bereits berichtet, dass Östrogen (E2) diesen oxidativen Stress reduziert.
Es kann also einen positiven Zusammenhang zwischen Östrogen und Muskelkontraktion vermutet werden, weil die Myosinfunktion durch Reduzierung des oxidativen Stresses durch Östrogen verbessert werden könnte (3).
Östrogen und Muskelaufbau – Wie wirkt das Hormon auf die Muskel-Protein-Synthese?
Die Muskulatur unterliegt einem ständigen Auf- und Abbauprozess. Die Strukturproteine werden genutzt, um die Muskulatur aufzubauen. Andererseits können sie aber auch vom Körper abgebaut werden, falls er sie gerade woanders benötigt. Der Auf- und Abbau der Proteine im Gewebe wird anhand der Nettoproteinbilanz gemessen.
Dabei wird die Nettoproteinbilanz beeinflusst durch
- äußere Reize wie Bewegung (Training),
- Ernährung (Proteinbereitstellung in Form von Nahrung),
- und unserem hormonellen Profil (10).
Neben Testosteron hilft auch Östrogen beim Muskelaufbau. Primär dient Östrogen zum Aufbau der Gebärmutterschleimhaut. Der Effekt ist dort am größten. Aber auch in der restlichen Muskulatur unterstützt Östrogen die Muskel-Protein-Synthese. Der Gegenspieler Progesteron wirkt dieser Entwicklung allerdings entgegen, weshalb Frauen nicht unbedingt dazu neigen, mehr Muskelmasse aufzubauen.
Östrogen wirkt anabol und verstärkt den Muskelaufbau.
Östrogen (Östradiol E2) wirkt anabol, indem es
- das Wachstumshormon Somatotropin stimuliert,
- welches einen Anstieg des insulinähnlichen Wachstumsfaktors 1 (IGF-1) auslöst,
- der eine entscheidende Rolle in der Muskel-Protein-Synthese spielt,
- indem er den Aufbau der Muskulatur fördert (4,5,6,7,8).
Östrogen und Muskelaufbau – Wann ist die beste Zeit für Kraftaufbau im Menstruationszyklus?
Die größte Kraftentfaltung und das größte Potential für das Muskelwachstum sollte bei Frauen mit einem natürlichen Menstruationszyklus in der Phase des Eisprungs liegen.
In der Phase des Eisprungs
- ist der Östrogenspiegel am höchsten,
- wird Östrogen nicht vom Gegenspieler Progesteron beeinflusst,
- könnte die Empfindlichkeit für anabole Reize durch Östrogen erhöht werden (8,10).
Zusätzlich hat Östrogen eine schützende Wirkung auf die Skelettmuskulatur, indem es Entzündungen abschwächt, was für eine schnellere Regeneration spricht. Sobald ein Östrogenmangel vorliegt (Wechseljahre, Amenorrhoe), wird die Muskelregeneration beeinträchtigt. Dies wirkt sich letztendlich auch auf die Kraftentwicklung aus (11,12,13).
Östrogen und Muskelschwäche
Mit zunehmendem Alter tritt bei Männern und Frauen Muskelschwäche auf. Das bedeutet, dass die Muskelfasern nicht mehr in der Lage sind, die Kraft zu entwickeln, die sie in jüngeren Jahren erreicht haben.
Muskelschwäche wird dem Östrogenmangel zugeschrieben.
Die Wissenschaft vermutet, dass der Verlust der Muskelkraft einer Frau mit dem Verlust der Sexualhormone mit den Wechseljahren zusammenhängt (3).
Mit den Wechseljahren
- nimmt die Produktion von Östrogen und Progesteron ab,
- verlieren Frauen den Reiz für starke Muskelkontraktion und Muskelaufbau,
Diese Punkte sorgen dafür, dass die Muskelschwäche im Alter bei Frauen tendenziell stärker ausgeprägt ist (10).
Es wird davon ausgegangen, dass durch Östrogenmangel apoptotische Mechanismen in den Zellen ausgelöst werden und dadurch Muskelmasse und somit auch Muskelkraft verloren geht.
Als Apoptose wird der sogenannte „Selbstmord“ der Zelle bezeichnet. Dieser Zelltod wird durch oxidativen Stress ausgelöst. Und da sind wir wieder bei der schützendes Funktion des Östrogens. Da Östrogen diesen oxidativen Stress reduziert, vermuten die Wissenschaftler auch hier einen Zusammenhang zwischen Östrogen und Muskelschwund (14).
Solltest du jetzt Östrogen supplementieren?
Jetzt, wo du den Zusammenhang zwischen Östrogen und Muskelaufbau kennst, stellt sich natürlich die Frage, ob du nun Östrogen supplementieren solltest.
Die genannten Vorteile beziehen sich auf dein natürliches Östrogen. Dies unterstützt dich bei deinem Krafttraining, aber auch bei deinem Fettstoffwechseltraining.
Zugeführte Hormone, wie zum Beispiel durch die Anti-Baby-Pille sind meistens synthetisch hergestellte Hormone. Diese wirken teilweise anders auf deinen Körper und haben auch mögliche unerwünschte Nebenwirkungen. Durch die Einnahme synthetisch hergestellter Hormone wird die Produktion deiner eigenen Hormonproduktion unterdrückt und die genannten Vorteile gehen verloren. Deswegen rate ich dir, sieh davon ab, dir die Pille verschreiben zu lassen, um Muskeln aufzubauen. Wenn du die Pille aus gesundheitlichen Gründen einnehmen musst, ist das was anderes.
Bei der Hormon-Ersatz-Therapie in den Wechseljahren setzt man heutzutage auf bioidentische Hormone. Diese sind dem im Körper produzierten Hormonen identisch und werden beispielsweise aus der Yamswurzel gewonnen. Eine Behandlung mit bioidentischen Hormonen kann die Beschwerden der Wechseljahre deutlich lindern. Das solltest du allerdings alles mit deinem Arzt besprechen.
Ich empfehle dir, dein Training an deinen Zyklus oder an deine Wechseljahre anzupassen. In meinem 1:1 Coaching tun wir genau das. Wenn du dabei Hilfe brauchen solltest, scheue dich nicht mich zu kontaktieren
Ich hoffe, ich konnte dir mit diesem Beitrag helfen, den Zusammenhang von Östrogen und Muskelkraft und Muskelaufbau etwas näher bringen.
Weitere Tipps für dein Triathlon-Training oder zur Gestaltung deinen Triathlon-Trainingsplans findest du auf den verlinkten Beiträgen.
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QUELLEN
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